Aber auch am US-Markt selbst gibt es sehr uneinheitliche Entwicklungen. Die (Börsen)-Geschichte lehrt uns, nicht überzureagieren.
Der deutsche Markt präsentiert sich insgesamt schwach bis sehr schwach. Vor dem Referendum in Italien und der Wiederholung der österreichischen Präsidentenwahl am Sonntag befürchten die Anleger Ausgänge, die den EU-Gegnern weiteren Aufwind verschaffen könnten (also ein Ablehnung des Referendums + Rücktritt von Renzi in Italien sowie ein Sieg des Rechtspopulisten Hofer in Österreich). Das wäre insgesamt schlecht für die Stabilität in der Eurozone und würde auch die Gefahr von wirtschaftlichen Verwerfungen erhöhen.
So jedenfalls ist es in Marktberichten zu lesen. Gräbt man etwas tiefer findet man aber - wieder einmal - Widersprüche ohne Ende. Das US-Finanzportal Marketwatch beispielsweise veröffentlicht einen einigermaßen effekthascherischen Artikel mit dem Titel "Wie Italiens Referendum eine systemische Krise in der Eurozone auslösen könnte".
Zitiert wird dabei allen voran Holger Schmieding, Chefökonom der Berenberg-Bank, mit den Worten: "Nach der Brexit-Entscheidung haben wir zu jedem Zeitpunkt eine potenzielle politische Krise in Italien als das Top-Risiko in Europa für 2017 erachtet. Im Gegensatz zum Brexit könnten die Probleme Italiens eine systemische Krise in der Eurozone auslösen."
In einem Finanzen.net-Artikel liest sich das schon wieder ganz anders. Dort heißt es: "Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding warnt vor einem Überbewerten des Italien-Risikos wegen des Referendums. Zwar räumt Schmieding einem "No" eine Wahrscheinlichkeit von 60 Prozent ein. Eine Krise werde dann aber voraussichtlich schnell eingedämmt".
Selbst bei einem "Nein" der Italiener scheint der Rücktritt von Renzi dann alles andere als eine beschlossene Sache: "Falls das Referendum knapp gegen Renzi ausfalle, könnte Staatspräsident Sergio Mattarella trotz der Niederlage Regierungschef Matteo Renzi erneut zum Ministerpräsidenten ernennen. Sollten die beiden Parlamentskammern ihm dann das Vertrauen aussprechen, wäre die Krise innerhalb von zehn Tagen beendet."
Und weiter: "Daneben könnte Mattarella ein anderes Mitglied der Renzi-Regierung mit der Regierungsbildung beauftragen. In Frage kämen Finanzminister Pier Carlo Padoan oder Wirtschaftsminister Carlo Calenda. Auch dann könnte die Krise schnell beendet werden."
Ja, was denn nun? Viel Lärm um nichts?
Vielleicht stimmen die Italiener ja auch mit "Si". Wie war das noch gleich mit den Wahrscheinlichkeitsprognosen der Meinungsforscher und Ökonomen vor der Brexit-Abstimmung und der US-Präsidentschaftswahl? Beides mal kam es anders als erwartet.
Damit nicht genug, spielte dann auch noch der Markt verrückt - zumindest in den Augen der Prognostiker: Nach dem Brexit kam es zu regelrechten Panikzuständen am Aktienmarkt, die Kurse fielen über Tage. Mit einer derart extremen Reaktion hatten die wenigsten gerechnet.
Dafür waren sich die Auguren sicher, dass nach dem Trump-Sieg das Chaos am Markt ausbrechen würde. Stattdessen drehte der US-Aktienmarkt schon innerhalb des ersten Handelstages nach der Wahl ins Plus. Nach kurzem Einbruch wurde der US-Dollar gegenüber dem Euro immer stärker, statt wie erwartet schwächer.
Als ob das nicht genug der Verwirrung wäre hat der iShares MSCI Italy Capped ETF (US-Kürzel: EWI), also einer der größten börsennotierten Italien-Fonds, seit Tagen Mittelzuflüsse und verzeichnete von Dienstag bis Donnerstag einen deutlichen Kursanstieg von über fünf Prozent. Der ETF hält sich dabei komfortabel über den Tiefs vom Juni.
Die Anleger würden darauf spekulieren, dass das Meiste schon in den Kursen eingepreist sei, lautet die lakonische Erklärung für den Anstieg. Warum dann aber gleichzeitig der DAX schwächelt bleibt eine Frage, auf die Investoren vergeblich nach einer Antwort suchen.
Immerhin: Bezüglich der Nachwahl in Österreich heißt es, der Ausgang sei völlig offen. Da mag niemand widersprechen.
Bleiben Sie gelassen
Wie sollen wir uns als Anleger nun in einer solchen Situation verhalten?
Letztlich lautet die Antwort ganz simpel: Wir sollten unbeeindruckt unserer Strategie folgen!
Am besten ist es, sich gar nicht mit Prognosen zu Wahlausgängen, Zinsentscheidungen o.ä. zu beschäftigen. Behalten Sie stur Ihre Aktien. Tun Sie einfach gar nichts. Behavioural Finance-Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die Anleger dazu neigen, die neuesten Meldungen überzubewerten. Entsprechend kommt es regelmäßig zu Überreaktionen.
Wenn Sie doch handeln möchten gilt also: Wer mittel- und langfristig investiert kann extreme Schwächephasen nutzen, um Schritt für Schritt antizyklisch Positionen aufzubauen. Halten Sie sich an Warren Buffetts Regel: "Seien Sie mutig, wenn andere Angst haben und seien Sie ängstlich, wenn andere gierig sind." Keinesfalls sollten Sie dem allgemeinen Marktsentiment nachgeben.
Das gilt übrigens genauso vor wie nach wichtigen Entscheidungen. In den USA beispielsweise ist seit der Präsidentschaftswahl eine klare Zweiteilung feststellbar zwischen den sukzessive schwächer werdenden Technologieaktien und den starken Industriewerten.
Während der NASDAQ 100 am Donnerstag knapp 1,6 Prozent verlor, legte der Dow Jones knapp 0,4 Prozent zu und notiert bei aktuell 19.192 Punkten nur minimal unter seinem Allzeit-Hoch vom Mittwoch bei 19.225 Punkten.
Seit Tagen werden Bankaktien aller Art in Erwartung steigender Zinsen gekauft. Das gilt sowohl für Investmentbank-Größen wie Goldman Sachs (GS), kleinere Investmentbanken wie Piper Jaffrey (PJC) aber auch verschiedene Regionalbanken wie beispielsweise First Community Financial Partners (FCFP).
Gleiches gilt für Infrastuktur-Titel wie MasTec (MTZ) oder die kleineren Sterling Construction (STRL).
Die Kursgewinne von 25 bis 30 Prozent erfolgten fast ausschließlich auf Basis der Erwartungen der Anleger an eine Trump-Kandidatur bzw. bei Goldman Sachs auch deshalb, weil der Immobilien-Milliardär ausgerechnet den Goldman Sachs-Veteranen und ehemaligen Hedgefonds-Manager Steven Mnuchin als neuen Finanzminister eingesetzt hat.
Die Anleger versprechen sich davon positive Auswirkungen beim Investmentbank-Krösus, weil sie davon ausgehen, dass Mnuchin bei politischen Entscheidungen, bspw. zur Bankenregulierung, nichts unternehmen wird, was seinem alten Arbeitgeber schaden könnte.
Das klingt zwar logisch und schlüssig, aber inzwischen ist ja auch schon jede Menge Positives in den Kursen eingepreist.
MEIN FAZIT:
Bleiben Sie in diesem - wieder mal - turbulenten Umfeld gelassen und treffen Sie nicht vorschnell emotionale Entscheidungen, die Sie später vielleicht bereuen könnten.
Wenn Sie doch handeln möchten, handeln Sie tendenziell gegen das vorherrschende Sentiment. Kaufen Sie, wenn Panik herrscht und verkaufen Sie bei Euphorie.
Hören Sie auf keinen Fall auf die Auguren, die den Ausgang von Ereignissen vorherzusagen versuchen und dabei regelmäßig kläglich scheitern oder sich selbst widersprechen. Sowohl, was den potenziellen Ausgang betrifft als auch was die Reaktion des Marktes auf den jeweiligen Ausgang betrifft.
Hinweispflicht nach §34b WpHG: Die Geldanlage-Report-Redaktion ist in den genannten Wertpapieren / Basiswerten zum Zeitpunkt des Publikmachens des Artikels nicht investiert. Es liegt daher kein Interessenskonflikt vor. Die in diesem Artikel enthaltenen Angaben stellen keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar.
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