2.) Interpace Diagnostics (IDXG) -
Momentumgetriebener Anstieg mahnt zur Vorsicht
Nachdem der gigantische Kursanstieg von Interpace und die Euphorie der Anleger nun auch nach Deutschland übergeschwappt ist (beispielsweise war die Aktie am Freitag auf wallstreet:online eine der meistdiskutiertesten Aktien), habe ich mir das Papier mal näher angeschaut.
Interpace Diagnostics (ISIN:
US46062X1054) |
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WKN / Kürzel |
Börsenwert |
KGV 16/17e |
Kurs |
A2ACP7 / IDXG |
24 Mio. USD |
neg. / neg. |
1,31 USD |
Gestern wurden an der NASDAQ sage und schreibe 70 Millionen Stück von der Aktie gehandelt. Damit war das Papier das am zweitstärksten gehandelte überhaupt. Interpace ist im Besitz von Krebsdiagnose-Tests und hatte am Donnerstag vorbörslich eine Meldung veröffentlicht, die die Kursexplosion auslöste. Dabei war diese aus meiner Sicht nicht wirklich bedeutend:
"Aetna, the third largest health plan in the United States, has agreed to cover Interpace's ThyraMir™ test for all of Aetna's 46 million members nationwide, with coverage effective immediately. Interpace's ThyGenX™ and ThyraMir thyroid assays are now covered for approximately 200 million patients nationwide, including through Medicare, National, and Regional health plans."
Es sind jetzt also knapp 30 Prozent mehr Patienten, die potenziell abgedeckt sind. Nachdem die Kostenerstattung des Tests zuvor bereits von vielen anderen Krankenversicherern zugesagt worden ist, ist das keine so richtig große Überraschung. Definitiv jedenfalls nichts, was einen Kursanstieg von 300 Prozent begründen würde.
Noch dazu betrifft es nur die Hälfte des Coverage (ThyGenX und ThyraMir werden zusammen bzw. nacheinander verwendet zur Durchführung der Tests), denn ThyGenX wurde von Aetna bereits im Juli 2015 zur Erstattung genehmigt.
Trotz der weitreichenden Krankenkassen-Abdeckung der Tests ist Interpace aber hoch defizitär und das Unternehmen rechnet damit, dass sich daran so schnell auch nichts ändern wird:
"The loss from continuing operations, before tax for the third quarter of 2016, was $7.0 million, compared to the $7.6 million loss in the third quarter of 2015. The net loss for the third quarter of 2016 was $7.5 million, as compared to a net loss of $4.9 million for the comparable period of 2015, which included $2.6 million of income from discontinued operations in 2015. Net cash used in operating activities for the nine months ended September 30, 2016 was $6.6 million of which $5.1 million was from continuing operations, a substantial improvement as compared to $13.5 million for the prior year period."
"The Company also anticipates operating losses to continue for the foreseeable future due to, among other things, costs related to its commercial operations, developing products and product candidates, right sizing and reorganizing its administrative organization and winding down activities and managing obligations related to its discontinued operations."
Interpace hat also alleine im letzten Quartal 5 Mio. US-Dollar Cash im operativen Geschäft verbrannt.
Jetzt ist kaum noch Cash übrig:
"The company had cash balances of $1.7 million on September 30, 2016 and has negotiated a line of credit of up to $1.2 million and has not drawn down on the facility to date."
Das Unternehmen hat negatives Eigenkapital, ist als de facto überschuldet:
"The Company’s Quarterly Report on Form 10-Q for the quarterly period ended September 30, 2016 reported total stockholders’ (deficit) equity of ($1,479,000)."
Das derzeitige operative Geschäft mit den obigen Krebstests ist vom alten Eigentümer auf Pump gekauft worden:
"On September 30, 2016, the Company, Interpace LLC, and the RedPath Equityholder Representative entered into an amendment to the $10.7 million interest free secured note payable to the former equity holders of RedPath to extend by one month, until November 1, 2016, subject to the terms of the amendment, the due date for the first quarterly payment of principal under the note."
"Under the note, the Company is required to make eight installment payments of principal, with each payment equal to $1,333,750, together with accrued and unpaid interest, if any."
Interpace schuldet RedPath also 10,7 Mio. US-Dollar, die man in jeweils acht Raten zu 1,3 Mio. Euro abstottern möchte.
"The first quarterly payment of principal under the note originally was due on October 1, 2016 and the first payment is now due on December 31, 2016."
Bereits die erste Rate, die am 1. Oktober fällig war, konnte Interpace nicht begleichen. RedPath erklärte sich einverstanden, das Zahlungsziel auf 31.12.2016 zu verlängern.
"The Company currently has no means to make the first quarterly payment of principal due on December 31, 2016, and if the due date for the first quarterly payment of principal is not extended by the RedPath Equityholder Representative or other equity or debt capital is not raised, the RedPath Equityholder Representative could foreclose on the Company’s assets, force the Company into bankruptcy or pursue other remedies."
Das heißt, Interpace hat das Geld für die erste Rate bisher immer noch nicht aufgetrieben und wenn RedPath keinem weiteren Zahlungsaufschub zustimmt, hat RedPath das Recht, sich das operative Geschäft wieder zurückzuholen oder Interpace in die Insolvenz zu zwingen.
Darüber hinaus droht unmittelbar auch ein Delisting von der NASDAQ:
"On November 23, 2016, Interpace Diagnostics Group, Inc. (the “Company”) received written notice from the Listing Qualifications department (the “Staff”) of The NASDAQ Stock Market LLC (“Nasdaq”) notifying the Company that it is not in compliance with Nasdaq Listing Rule 5550(b)(1), which requires companies listed on The Nasdaq Capital Market to maintain a minimum of $2,500,000 in stockholders’ equity for continued listing.
Zusätzlich laufen noch diverse Rechtsstreitigkeiten, die mit der turbulenten Vergangenheit des Unternehmens zusammenhängen und im Oktober ist ein Direktor zurückgetreten.
MEIN FAZIT:
Der Kursanstieg ist aus meiner Sicht einzig und allein auf technische Gründe zurückzuführen. Die Zahl der frei handelbaren Aktien liegt nur bei rund 11 Millionen Stück, es wurden gestern aber über 70 Millionen Aktien gehandelt und nachbörslich nochmal 5 Millionen.
Niemand weiß, wohin die Trader den Kurs noch treiben. Die Aktie lag am Freitag vorbörslich bereits wieder 43 Prozent im Plus bei 1,45 US-Dollar. Es ist deshalb extrem gefährlich und auch nicht ratsam, die Aktie zu shorten. Hier ein Zitat von Warren Buffett zum Thema "Shorten":
“Charlie and I have agreed on around 100 stocks over the years that we thought were shorts or promotions. Had we acted on them, we might have lost all of our money, even though we were right just about every time. A bubble plays on human nature. Nobody knows when it’s going to pop, or how high it will go before it pops.”
“I had a harrowing experience shorting a stock in 1954. I wouldn’t have been wrong over 10 years, but I was very wrong after 10 weeks, which was the relevant period. My net worth was evaporating.”
Wer die Aktie derzeit hat oder gar mit dem Gedanken spielt, sie jetzt noch zu kaufen, sollte sich aber darüber im Klaren sein, dass der Kurs mit hoher Wahrscheinlichkeit früher oder später wieder in sich zusammensacken wird. Tendenziell eher früher, weil das Unternehmen sich in akuter Zahlungsnot befindet und bereits Ende des Monats insolvent sein könnte.
Ich vermute, dass Interpace nun mit aller Macht versuchen wird, den Kursanstieg für eine Kapitalerhöhung zu nutzen, um Zeit zu gewinnen. Ich bezweifle allerdings, dass Investoren bereit sein werden, Kurse von 1,45 US-Dollar oder mehr zu bezahlen. Wahrscheinlicher ist, dass der Preis bei einer Kapitalerhöhung deutlich tiefer liegen wird und sich die Zeichner die Möglichkeit offen halten werden, die neuen Aktien sofort am Markt wieder zu verkaufen, um ihr Risiko zu senken. Dann dürfte der Kurs deutlich einbrechen.
Darüber hinaus dürfte das Unternehmen dann den angekündigten Reverse Split umsetzen (ich tippe 10:1 oder 25:1), um auch kursmäßig vorläufig weiter an der NASDAQ gelistet bleiben zu können.
Hinweispflicht nach §34b WpHG: Die Geldanlage-Report-Redaktion ist in den genannten Wertpapieren / Basiswerten zum Zeitpunkt des Publikmachens des Artikels nicht investiert. Es liegt daher kein Interessenskonflikt vor. Die in diesem Artikel enthaltenen Angaben stellen keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar.

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